Ökotrophologie - ein Überblick über das Studium und den Einstieg ins Berufsleben (+Test)
Inhaltsverzeichnis
Oikos und trophe - die Grundlage eines Studiengangs der etwas anderen Art
Da du sicher Altgriechisch in der Schule hattest, war oikos und trophe jetzt nichts außerordentlich kompliziertes... Die Lehre der Haus- und Ernährungswissenschaften. Na klar! Putzen und Kochen kann man jetzt studieren - ganz toll.
Ok, wo geht es hier zu den seriösen Studiengängen?
Sarkasmus aus! Ökotrophologie ist ein ernst zunehmender Studiengang! Und zwar einer der naturwissenschaftlichen Art. Also die Königsdisziplin aller akademischen Anstrengungen. Und in diesem Studiengang geht es weder ums Putzen, noch ums Kochen. Zumindest nicht in Form von schweißtreibenden Arbeiten.
Ich persönlich glaube, dass es kaum einen umfassenderen und weitläufigeren naturwissenschaftlichen Studiengang gibt, als den der Ökotrophologie. Hier laufen die meisten naturwissenschaftlichen Disziplinen mit Praxisbezug zusammen, die sonst nur einzeln gelehrt werden: Physik, Chemie, Mathematik, Medizin, Biologie, Biochemie, Materialkunde, Verfahrenstechnik, Psychologie, Epidemiologie, Statistik, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Mikrobiologie, Qualitätsmanagement... Um nur die wichtigsten zu nennen.
Jetzt fragst du dich vielleicht, was Physik mit Ökotrophologie zu tun hat. Diese Frage ist berechtigt und führt uns zu den Kernthemen des Studiengangs:
Lebensmittelwissenschaften:
Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum ein Apfel braun wird, wenn man ihn aufgeschnitten liegen lässt?
Und was der Unterschied dieser Bräunung zu der in der Pfanne ist?
Oder wie es gelingen kann, Mangos und Bananen in deutschen Supermärkten erntereif anzubieten?
Diese und andere Fragen klären sich in den Fächern der Lebensmittelwissenschaften. Die Themen des Faches untergliedern sich in weitere Bereiche wie zum Beispiel Lebensmittelchemie, Mikrobiologie und Hygiene, Lebensmittelrecht, Produktentwicklung und Handel. Das Fach ist sehr allgemein gehalten und klärt über die wesentlichen und wichtigsten Fakten rund um unsere Nahrungsmittel auf.
Verfahrenstechnik:
Klingt etwas trocken, ist es aber nicht!
Wer einmal in einer Schokoladenfabrik gestanden hat und zusehen durfte, wie die flüssige Schokolade auf einen halb fertigen Riegel läuft, der kommt von dem Thema "Lebensmittelproduktion" nicht mehr los. Wir alle konsumieren Produkte, die in großem Maßstab gefertigt werden.
Jeder Nahrungsmittelbestandteil verhält sich dabei in der Produktionskette anders. Druck, Hitze und Scherkräfte machen in einem Extruder aus einem Maiskorn ein Cornflake. Wie das funktioniert?
Das lernst du im Fach Verfahrenstechnik. Warum wird die Schokolade manchmal weißlich, wenn sie geschmolzen und wieder erstarrt ist? Das kommt schon mal vor, wenn man einen Riegel im Auto vergisst… Weil die Matrix der Schokoladenbestandteile das Fett nicht mehr halten kann.
Es tritt als feine, weiße Schicht aus dem Verbund aus und macht den Riegel unansehnlich. Die Temperaturführung in einer Schokoladenfabrik muss daher sehr genau abgestimmt sein, damit die Schokolade am Ende nicht so aussieht, wie der geschmolzene Riegel aus dem Auto. All das hat mit Chemie, Physik und auch Mathematik zu tun.
Ernährungsmedizin- und Psychologie:
Die klassische Ernährungsberatung findet sich im Ökotrophologie Studium sicher auch wieder, ist aber nur ein winzig kleiner Teil der Lehre.
Im Fach Ernährungsmedizin geht es tatsächlich mehr um Lebensmittelassoziierte Erkrankungen wie Intoleranzen und Allergien, die Folgen von Adipositas, angeborene Stoffwechselstörungen und vieles mehr. Die Lebensmittelpsychologie hat im Wesentlichen drei Richtungen.
Zum einen liegt der Fokus auf Patientinnen und Patienten mit Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge Eating, Orthorexie, Pica Syndrom, Fütterstörungen usw.).
Der andere Zweig richtet sich mehr an das Thema Marketing.
Was macht Werbung mit uns?
Wie muss ein Apfel aussehen, damit er gekauft wird?
Wie lila muss die Kuh auf der Verpackung sein, damit möglichst viele Menschen zu Ostern danach greifen?
Der dritte Zweig befasst sich mit der epidemiologischen Seite der Ernährung.
Wie bekommen wir möglichst viele Menschen dazu, sich gesund zu ernähren?
Wirkt eine Lebensmittelampel oder gibt es vielleicht andere Maßnahmen, die Menschen dazu bewegen, ihr Verhalten anzupassen? Der Fachbegriff dafür ist „Nudging“.
Management und Wirtschaft:
Natürlich gibt es eine Nahrungsmittelproduktion, weil wir alle etwas essen müssen. Allerdings möchten Hersteller auch Geld mit ihren Produkten verdienen und hier sind wir beim Wirtschaften. Folgende Fragen stehen im Zentrum des Fachs:
Wie entsteht ein Produkt (Produktentwicklung)?
Wie wird es getestet (Qualitätssicherung)?
Wie kann ich sicherstellen, dass es in optimalem Zustand, pünktlich beim Kunden ankommt (Logistik)?
Was mache ich, damit es länger haltbar bleibt (Nachhaltigkeit)?
Wie kann ich meine Produkte während des Transports schützen (Verpackungsmanagement)?
Wie bekomme ich den Kunden dazu, dann auch mein Produkt zu kaufen und nicht das des Mitbewerbers (Sales und Marketing)? Es finden sich einige BWL und VWL Anteile in diesem Fach, allerdings nicht als trockene Theorie sondern wie immer mit Anwendungsbezug.
Ernährungswissenschaften:

Dieses Fach ist wohl das interessanteste aber für viele Studenten auch das schwerste… Bei den Ernährungswissenschaften geht es um die Wirkung einzelner Nahrungsbestandteile auf den Organismus. Ein wesentlicher Bestandteil ist hier Biochemie.
Und die ist ohne Zweifel interessant aber auch wahnsinnig komplex. Was passiert beispielsweise, wenn wir einen Vitamin- oder Mineralstoffmangel erleiden? Wie wird aus Nahrung, Energie, Wärme und Bewegung?
Man glaubt es kaum aber hier sind die Klassiker der Naturwissenschaften angesiedelt: Chemie, Biologie, Physik, Mathematik. Später dann auch Biochemie und Genetik. Der menschliche Organismus ist letztlich ein Rechenmodell.
Ein Zusammenschluss aus Zellen, die wiederum nach festgelegten Mustern funktionieren. Vieles wissen wir bereits – und vieles wissen wir auch nicht. Das was wir wissen, könnt ihr in diesem Fach erfahren.
Praxissemester:
In den meisten Hochschulen ist ein praktischer Teil Bestandteil des Studiums oder sogar Voraussetzung zur Erlangung des Studienplatzes. Hier kann man sich in einem zukünftigen Berufsfeld ausprobieren und schon einmal erste Kontakte knüpfen.
Neben diesen oben genannten Hauptfächern gibt es auch noch einige „Nebenkriegsschauplätze“. Sie nehmen nicht so viel Raum ein, sind aber auch Teil des Studiums. Dazu gehören: Hauswirtschaftsmanagement, Gesundheitsmanagement, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Fachjournalismus, Entwicklungszusammenarbeit, Markt- und Meinungsforschung, Catering, Gesundheitsverwaltung, Pharmaindustrie, und Management in Verbraucherorganisationen.
Ökotrophologie oder die eng verwandten Studiengänge Ernährungswissenschaften und Lebensmittelwissenschaften (Food Science) kannst du in Deutschland zurzeit an folgenden Universitäten und Hochschulen studieren:
Dein Türöffner zu den naturwisschenschaftlichen Jobs: Bachelor/Master of Science

Zunächst muss man eine Sache wissen, wenn man sich für (oder gegen) ein bestimmtes Bachelor-Studium entscheidet: die Endungen „of Science“, „of Arts“ usw. haben Einfluss auf die Wahl des Masterstudiengangs und auf viele Berufszweige. Natürlich ist es möglich, konsekutiv weiter zu studieren.
Wenn du also einen Bachelor in Ökotrophologie machst und weiter studieren willst, schließt du einfach mit einem Master in Ökotrophologie an. Es ist allerdings auch möglich, nicht konsekutiv weiter zu machen!
Vielleicht entwickelst du im Laufe deines Bachelor Studiums eine Vorliebe für Epidemiologie und möchtest dich nicht nur mehr auf die Ernährung beschränken sondern auf die allgemeine Gesunderhaltung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.
Dann könntest du überlegen, ob du mit einem anderen Master „of Science“ weiter machst. Beispielsweise Public Health. Das ist allerdings nur möglich, wenn die Endung („of Science“) passt. Für die Ökotrophologie kommen nach dem Bachelor also viele nicht konsekutive Master Studiengänge in Frage, die Themen- und Artverwandt sind.
Wenn es dann später in den Job geht, bist du als Naturwissenschaftler sehr gefragt, wenn du es geschickt anstellst. Mit einem Bachelor können deine Berufschancen schon sehr gut sein, mit einem Master meist noch besser (manchmal wird er auch gefordert).
Wenn du den Dr. vor deinem Namen haben willst, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als auch den Master in dein studentisches Leben mit einzuplanen.
Berufschancen bieten sich in unzählig vielen Branchen, hier sind einmal einige Ideen herausgegriffen, um dir eine Vorstellung zu geben:
Lebensmittelindustrie:

Hier triffst du Artgenossen! Nicht wenige Ökotrophologen gehen die Industrie. Die Aufgaben sind dabei ganz verschieden. Es gibt kreative Tätigkeiten wie die Produktentwicklung und Tätigkeiten, bei der es auf Genauigkeit ankommt wie beispielsweise das Qualitätsmanagement.
Es gibt allerdings auch Job Descriptions, mit denen man vielleicht so erst einmal nicht rechnen würde. Dazu gehören beispielsweise Marketing- oder Brand Manager, Service Center Lead oder Food Consultant. Vom Rohstoffeinkauf über das fertige Produkt bis hin zum Vertrieb finden sich Jobs in Hülle und Fülle für die angehenden Lebensmittelexperten.
Pharmazeutische Industrie:

An diesen Industriezweig denkt man vielleicht nicht gleich, er bietet jedoch viele Möglichkeiten für Menschen, die hoch hinaus wollen. Es gibt heute nicht nur mehr die klassischen Pharma-Konzerne, die Pillen herstellen sondern auch solche, die beispielsweise parenterale Ernährung produzieren.
Hier gilt das Gleiche wie bei der Lebensmittelindustrie in Sachen Jobs: Vom Rohstoff über die Fertigung bis hin zur Anwendung in der Klinik werden Leute gesucht.
Übrigens noch ein kleiner Tipp: Mit einem naturwissenschaftlichen Studium („of Science“) kann man auch als Pharmaberater (nicht Pharmareferent!) arbeiten. Das geht mit einem anderen Abschluss wie z.B. „of Arts“ nicht.
Wenn es dich also nach Freiheit und einem schicken Dienstwagen dürstet, dann schau dir die Jobs in dem Bereich doch einmal an!
Gesundheitseinrichtungen:
Du träumst von der eigenen Praxis? Kein Problem – das geht mit einem solchen Studium und dem Zusatzkurs Ernährungsberatung der DGE.
Manchmal wird dieser sogar im Studium mit angeboten. Natürlich muss es nicht gleich die Selbstständigkeit sein – es gibt genügend Praxen (beispielsweise in der Diabetologie), die händeringend gutes Personal suchen.
Auch in Kliniken und deren Großküchen bist du gern gesehen. Hier kannst du den Speiseplan zusammenstellen, die Patienten betreuen und sicherlich auch einmal den ein oder anderen Gruppenvortrag halten.
Noch ein kleiner Tipp: Vor allem (Abnehm)Kliniken an schönen Orten suchen gern einmal Ökotrophologen. Was spricht gegen einen kleinen beruflichen Ausflug auf eine deutsche Insel oder an den Bodensee?
Wissenschaft, Forschung, Lehre:
Vielleicht bist du aber auch super neugierig und möchtest selbst etwas Neues erforschen und erfinden! Dann ist der Wissenschaftsbetrieb vielleicht das Richtige für dich.
Ich möchte allerdings eine ganz kleine Warnung aussprechen: So wie im Silicon Valley geht es an deutschen Unis und Hochschulen leider nicht zu. Die Realität sind Drittmittelprojekte und befristete Verträge.
Dennoch; die Weiterentwicklung in diesem Bereich ist ein lobenswertes Ziel und wenn dich genau das begeistert, dann tu es!
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Du möchtest dein neu erworbenes Wissen in Bild, Ton oder Schriftform bringen? Kein Problem!
Es gibt genügend Zeitschriftenverlage, die kompetente Mitarbeiter suchen. Auch bei Marketing-Agenturen hat man Chancen. Diese schreiben beispielsweise Kampagnen für Hersteller und verbreiten die Kunde dann auf verschiedenen Kanälen. Dies geht auch immer öfter über Social Media.
Politik:
Natürlich ist das auch ein Feld, welches von der Kompetenz und Expertise eines soliden Studiums sicher profitieren könnte. Ob du in ein Amt gehst (z.B. das für Ernährung und Landwirtschaft) oder ob dir der Job als Bundeskanzler/in auch liegt, wird sich dann wohl im Laufe deiner Karriere herauskristallisieren.
Egal wie es kommt: Greife nach den Sternen – irgendeinen erwischst du immer.
BGF:
Die sogenannte betriebliche Gesundheitsförderung gibt es noch gar nicht so lange aber auch hier verbergen sich Chancen. Ernährung ist im wahrsten Sinne des Wortes ein zunehmendes Problem und das haben auch die großen Arbeitgeber erkannt.
Diese lassen ihre Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen in den Genuss der BGF kommen. Auch Ernährung kann Teil dessen sein. Es gibt Agenturen, die sich auf BGF spezialisiert haben und mehrere Unternehmen in regelmäßigen Abständen betreuen. Vielleicht ist das ja ein passender Job für dich…?
Ohne Moos nix los
Ein cooler Job ist ja ganz nett aber was zu essen im Kühlschrank ist es sicher auch. Die Verdienstmöglichkeiten als Ökotrophologe hängen von vielen Faktoren ab... Erfahrung im Job, Dienstzeit, Art des Jobs und vieles mehr. Grundsätzlich ist zu sagen, dass in rein beratenden Jobs am wenigsten Geld zu holen ist.
Egal ob selbständig oder angestellt - an die Positionen in der Industrie kommst du in der Regel nicht heran. Dein Einstiegsgehalt liegt bei 2.000 - 2.500 Euro Brutto im Monat. Vergiss bitte nicht, dass Brutto nicht gleich Netto ist! Wenn du wissen möchtest, wie viel dir davon am Ende netto im Geldbeutel bleibt, dann bemühe doch einmal einen Brutto-Netto Rechner im Internet, um eine Tendenz für deinen persönlichen Fall zu berechnen.
Die etwas besser bezahlte Gehaltsstufe findet sich in der Industrie. Je nachdem was für einen Job du bekleidest, wie gut du verhandelt hast und wie lange du im Unternehmen bist, kann es bei 3.500 Euro brutto los gehen.
Meist sind Jobs im Vertrieb (Pharma oder Lebensmittel) neben Leitungspositionen am besten bezahlt. Hier geht es bei ca. 4.000 Euro los. Meist gibt es auch noch einen Dienstwagen, Handy, Laptop und iPad sowie Spesen und Prämien für erreichte Leistungen.